Die Region Mwanza in Tansania hat rund 2,8 Millionen Einwohner*innen, ca. 70 Prozent davon lebt entlang des Viktoriasees und ist von der Infektionskrankheit Schistosomiasis bedroht. Die heimtückische Wurmerkrankung (auch Bilharziose genannt), die durch im Süßwasser lebende Schnecken übertragen wird, ist heilbar – dennoch fordert sie laut WHO jährlich allein in Afrika vermutlich bis zu 300.000 Todesopfer. Damit gilt sie als die gefährlichste unter den 20 vernachlässigten Tropenkrankheiten (Neglected Tropical Diseases, NTDs). Eine Erkrankung führt (meist nach Jahren) zu Schäden an Darm, Leber und Milz und im schlimmsten Fall zum Tod. Mit Unterstützung der Else Kröner-Fresenius-Stiftung hat die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe von Mai 2017 bis Dezember 2019 in Tansania ein interdisziplinäres Programm in den Bereichen Gesundheit, Bildung und WASH (Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene) durchgeführt und dabei viel gelernt und bewirken können.
10. Juni 2020
Wirksame Hilfe für die Menschen nur mit den Menschen
Im Fokus des Projekts standen die betroffenen Menschen in 41 Fischergemeinden der Distrikte Ilemela und Nyamagana sowie dortige 51 Grundschulen und 12 öffentliche Gesundheitseinrichtungen. „Wir hatten uns drei große Ziele für dieses Projekt gesteckt: die Aufklärung und Behandlung der Menschen, die Stärkung der Gesundheitseinrichtungen und die Einbeziehung der zivilgesellschaftlichen Strukturen“, erzählt Dr. Saskia Kreibich, Public-Health-Beraterin bei der DAHW. „Um die geplanten Aktivitäten optimal an die lokalen Bedarfe und Bedürfnisse der betroffenen Gemeinden ausrichten zu können, haben wir zu Beginn des Projekts eine ausgiebige Bedarfsanalyse durchgeführt.“ Durch die Partizipation aller involvierter Akteure, konnten Akzeptanz und Nachhaltigkeit der Maßnahmen erhöht werden.
Aufklärung, Bildung und Behandlung
Mit verschiedenen Behandlungskampagnen wie „Test & Treat“ oder der medikamentösen Massenbehandlung sollte die Anzahl der bestehenden Infektionen (Prävalenz) in der den Seeufergemeinden der beiden Distrikte verringert und das Risiko an Neuinfektionen so gering wie möglich gehalten werden. Um langfristig Kontrolle zu erzielen, wurden die Behandlungskampagnen von aufwendigen Sensibilisierungsmaßnahmen begleitet. So wurde zum Beispiel eine spezielle Hygieneschulung für Grundschulkinder entwickelt und durchgeführt. Das so genannte CHAST (Children’s Hygiene and Sanitation Training) dient nicht nur der Wissensvermittlung und Aufklärung, sondern bestärkt die Kinder darin, selbst eine Vorreiterrolle in Sachen Hygiene einzunehmen, indem sie das gelernte Wissen an andere Schulkinder, ihre Familien und Gemeinden weitergeben.
Diese Art der Bewusstseinsbildung, die Wissensvermittlung und die Klärung von Missverständnissen – all dies führte zu mehr Akzeptanz und einer steigenden Teilnahme an regelmäßig angebotenen Behandlungskampagnen. „Sowohl die Prävalenz als auch die Zahl der Folge-Erkrankungen sowohl bei weiblichen als auch bei männlichen Gemeindemitgliedern sind um mehr als 50 Prozent gesunken“, berichtet Dr. Kreibich. „Und das tatsächlich in nur zwei Jahren und wenigen Monaten.“
Das Gesundheitssystem stärken
Eine weitere Säule des Projekts bildete die nachhaltige Stärkung öffentlicher Gesundheitseinrichtungen, deren medizinischer Ausstattung sowie ihrer Kapazitäten zur Diagnose und zur Behandlung von Schistosomiasis. Sechs Gesundheitszentren, die bisher nur auf unzureichend diagnostische Ausrüstung zurückgreifen konnten, erhielten neue Mikroskope, medizinisches Fachpersonal wurde in der Anwendung von Ultraschallgeräten geschult. Das Laborpersonal lernte außerdem, Stuhlproben zu analysieren, Schistosomiasis zu erkennen und nachzuweisen. „Die schnellere und sicherere Diagnose, die zuverlässige Verfügbarkeit von Arzneimitteln und die Optimierung des Klinik-Managements in der regionalen Gesundheitsversorgung sind Grundvoraussetzungen für die langfristige Kontrolle der Krankheit“, führt Dr. Kreibich aus. „Die Ausstattung mit Diagnose-Instrumenten dient nicht nur der Schistosomiasis-Behandlung, sondern kann auch zur Erkennung von anderen vernachlässigten Tropenkrankheiten wie zum Beispiel ähnlichen Wurmerkrankungen genutzt werden.“
Gemeinden und Zivilgesellschaft stärker einbeziehen
Eine erfolgreiche und langfristige Stärkung der dezentralen Gesundheitsdienste beginnt auf Gemeindeebene. Diese aktive Einbeziehung der Bürger*innen, der Gemeinschaft, der Zivilgesellschaft – der Menschen, die es betrifft – bildete die dritte tragende Säule des Projekts. „Wir haben Institutionen wie Vereine und Organisationen rund um die Fischerei, Umweltbeauftragte, Gemeindeleiter, die Seeuferverwaltung, Frauenkooperativen in Fischerdörfern und viele weitere Verantwortliche über Verhaltensregeln rund um die Bereiche Wasser, Hygiene und Sanitär aufgeklärt“, berichtet Dr. Kreibich. „Unsere CDDs, die Community Drug Distributors (freiwillige Helfer*innen bei der Medikamentenvergabe) wurden von ihren Gemeinden gewählt und dann von uns ausgebildet, sodass sie die Massenbehandlungen selbstständig durchführen konnten – lediglich betreut von einem Projektkoordinator und von Krankenschwestern.“ Mit nachhaltigem Effekt: „Die Etablierung und Akzeptanz von Behandlungs- und Kontrollmaßnahmen hilft uns in der Bekämpfung von Schistosomiasis und ebnet auch den Weg für ähnliche Maßnahmen in anderen gesundheitlichen Bereichen.“
Die Richtung stimmt
Schistosomiasis ist und bleibt auch weiterhin ein großes gesundheitliches Problem für die Gemeinden rund um den Viktoriasee und ihre Bewohner*innen. Doch die Kombination von Präventionsmaßnahmen, Aufklärungskampagnen, frühzeitiger Diagnose und Behandlung in Verbindung mit einem Zugang zu sauberem Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene (WASH) kann langfristig zum Erfolg führen. Davon sind die Expert*innen der DAHW überzeugt: „Die Beteiligung der Zivilgesellschaft ist hier der richtige Weg“, so Dr. Kreibich. „Ca. 30.000 Personen haben wir im Projektzeitraum einer jährlich stattfindenden medizinischen Behandlung zuführen können, von unseren weiterführenden Aktivitäten profitierten die rund 700.000 Bewohner*innen beider Distrikte.“ Die entstandene Dynamik wolle man weiter aufrechterhalten – und es gebe viel zu tun: „Zum Beispiel müssen wir Kinder unter fünf Jahren, die nicht Teil der Behandlungskampagnen sind, wirksam zu erreichen.“ In Kooperation mit der Julius-Maximilian-Universität (JMU) Würzburg und dem Missionsärztlichen Institut hat die DAHW auf Ukerewe, einer Insel am Südufer des Viktoriasees, bereits ein weiteres Kooperationsprojekt zur Kontrolle der Schistosomiasis gestartet. Und auch ein Projektantrag für eine zweite Förderphase, die auf den Ergebnissen des ersten Projektes basiert, ist bereits in Bearbeitung.
Ausführliche Infos zur Krankheit Schistosomiasis und die Hilfsmaßnahmen der DAHW unter www.schisto.de